Die W.D.R. - Inselversorgungsdienstleister seit 1885 (1885-1920)

Wer schon einmal auf Föhr, Amrum, Hooge oder Langeneß war, der weiß um die Bedeutung des Fährverkehrs für ein geregeltes Leben auf den nordfriesischen Inseln und Halligen. Ihr Auftrag als Inselversorgungsunternehmen zieht sich wie ein roter Faden durch die inzwischen über 125-jährige Geschichte der W.D.R.
Die Ursprünge des heutigen Fährverkehrs lassen sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Seit 1662 sind regelmäßige Schiffsverbindungen zwischen dem Festland und den Inseln Föhr und Amrum nachgewiesen. Ab Mitte der 1830er Jahre erlebten diese Verbindungen einen langsamen Aufschwung, als die Popularität des Seebads Wyk zunahm. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen jährlich bereits über 1.000 Gäste in das zweitälteste schleswig-holsteinische Seebad, auch der dänische König Christian VII. verbrachte hier mehrfach seinen Sommerurlaub. 1872 eröffnete die damalige Wyker Fährgenossenschaft erstmalig einen Dienst zwischen Wyk und Dagebüll mit ihrem Dampfschiff "Föhr Et Dagebüll". Trotzdem der Komfort auf den Schiffen des 19. Jahrhunderts noch nicht mit dem Standard heutiger Tage vergleichbar war (Viehtransport war eine wichtige Einnahmequelle, zuweilen reisten Passagiere, Schafe und Kühe auf dem gleichen Schiff), kamen immer mehr Urlaubsgäste nach Föhr, um sich in der gesunden Nordseeluft zu erholen. Für die einst arme Insel war der aufblühende Bädertourismus ein Glücksfall.
Mitte der 1880er Jahre erkannten einige weitsichtige Wyker Bürger um den Kapitän Steffen-Heinrich Boetius, dass durch den zunehmenden Fremdenverkehr Bedarf an einem neuen, größeren und moderneren Passagierschiff bestand. Anfang 1885 taten sich diese Interessenten zusammen, um ihre Pläne zu verwirklichen - die heutige W.D.R. war geboren. Am 14. März 1885 kamen schließlich in "Redlefsen's Hotel" in Wyk 33 Bürger unter Führung von Kapitän Boetius zusammen, um die Gründung der Wyker Rhederei-Gesellschaft zu beschließen. Im Protokoll der konstituierenden "Generalversammlung" des neuen Unternehmens hieß es u.a.: "Anwesend waren 33 Betheiligte, von denen die alsbaldige Anschaffung eines Doppelschraubendampfschiffes zum Preise von 36.000 Mark beschlossen wurde. Das Schiff soll vorläufig 2 bis 3 mal wöchentlich auf Sylt fahren zum Anschluß an die von Hamburg über Helgoland - Norderney nach Wyk fahrenden Salondampfer. An den übrigen Tagen der Woche soll dasselbe thunlichst zu Lustfahrten nach Dagebüll, Amrum pp. benutzt werden". Im Protokoll, das bis heute im Archiv der W.D.R. in Wyk aufbewahrt wird, wurde ferner dokumentiert, dass die anwesenden 33 Bürger sofort Partenanteile über insgesamt 22.500 Mark zeichneten und neben Kapitän Boetius einen Herrn Tantau und einen Maschinisten Wulff mit der Bestellung des neuen Schiffes betrauten. Zu Beginn der Sommersaison 1886 war es dann soweit: Unter dem Namen "Nordfriesland" ging der Neubau in Dienst.
Anfangs verkehrte das Schiff, wie ein Jahr zuvor beschlossen, mehrfach wöchentlich nach Sylt, daneben kam es jedoch vorwiegend im Verkehr zum schleswig-holsteinischen Festland zum Einsatz. Der Begriff "Lustfahrt" für den Dienst nach Dagebüll deutet darauf hin, dass diese Linie damals noch Ausflugsfahrtcharakter hatte und nicht mit dem Liniendienst heutiger Zeit vergleichbar war. Tatsächlich reisten viele Badegäste damals noch mit den Dampfern aus Hamburg an, erst nach Fertigstellung der Bahnanbindung 1895 entwickelte sich Dagebüll allmählich zum wichtigsten Festlandshafen im Inselverkehr. Die Wyker Rhederei-Gesellschaft stand im Verkehr zwischen Wyk und Dagebüll zunächst in direktem Wettbewerb mit zwei anderen Reedereien. Nicht zuletzt Dank ihres modernen Schiffes konnte sie sich jedoch rasch am Markt durchsetzen und bereits ein halbes Jahr nach Betriebsaufnahme mit der Wyker Fährgenossenschaft ihren wichtigsten Wettbewerber übernehmen. Als knapp drei Jahre später, im Jahre 1889, auch die Föhrer Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Liquidation ging, war die Wyker Rhederei-Gesellschaft konkurrenzlos. Sie firmierte in "Wyker Dampfschiffs-Rhederei-Gesellschaft mit beschränkter Haftung" um, viele Jahre später erst erhielt das Unternehmen seinen heutigen Namen Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH. Den Verkehr nach Föhr betrieb die W.D.R. fortan allein, nach Amrum stand sie noch bis 1971 im Wettbewerb mit anderen Anbietern.
Mit großem Engagement baute die W.D.R. ihren Fährdienst nach Föhr aus. Im Juli 1895 ging die seinerzeit schmalspurige Kleinbahn zwischen Niebüll und Dagebüll in Betrieb, die Verkehrsanbindung des Festlandshafens verbesserte sich damit erheblich. Diese von der Gemeinde Niebüll, dem Flecken Wyk und der Provinz Schleswig-Holstein gemeinsam finanzierte Bahn verhalf dem Bädertourismus auf Föhr zu einem weiteren Aufschwung, der bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs anhielt. 1908 stellte die W.D.R. ihr neues Flaggschiff, den Dampfer "Föhr-Amrum", in Dienst. Dieses 211 BRT große Schiff konnte bereits 470 Passagiere befördern und galt nach damaligen Maßstäben als großes Küstenpassagierschiff. Vor allem Wyk profitierte vom Tourismus, der Hauptsitz der W.D.R. wuchs und erhielt 1910 sogar das Stadtrecht.
Der Erste Weltkrieg beendete einstweilen den Aufschwung des Bädertourismus, die W.D.R. hatte rückläufige Passagierzahlen zu verzeichnen. 1918 übernahm die Stadt Wyk auf Föhr 75% der Gesellschaftsanteile des Unternehmens. Wenige Jahre später sahen sich die Föhrer und Amrumer mit einem Neubauprojekt konfrontiert, das sie zwar nicht direkt betraf, jedoch um ihre Wettbewerbsfähigkeit als Urlaubsregion fürchten ließ: 1924 begann der Bau des Hindenburgdamms nach Sylt. Auf Föhr und Amrum reagierte man schnell und entschlossen, um dem drohenden Wettbewerbsnachteil durch diese neue Dammverbindung zu begegnen. Bereits im Winter 1925/1926 wurde die Kleinbahn von Niebüll nach Dagebüll auf Normalspur umgestellt, so dass ab der Sommersaison 1926 direkte Zugläufe mit normalspurigen Wagen bis nach Dagebüll möglich wurden. Die Reisezeit von der Reichshauptstadt Berlin zum Festlandshafen betrug damit nur noch neun Stunden. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der umgespurten Kleinbahn gab die W.D.R. bei einer Hamburger Werft einen stattlichen Neubau in Auftrag. Im Juni 1927 konnte sie mit der "Nordfriesland" ihr neues Flaggschiff übernehmen. Das 285 BRT große, knapp 40 m lange und 7,80 m breite Schiff konnte 740 Passagiere befördern. Die elf Knoten schnelle "Nordfriesland" wartete jedoch mit noch einem Highlight auf: Als erstes Schiff der W.D.R. nahm sie auch Pkw mit.